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Höhnischer „Gefrierfleischorden“ – Bericht in der BNN

Die Badischen Neuesten Nachrichten hat in ihrer Ausgabe vom 4. Februar 2020 über die Sonderausstellung im Friedrichstaler Oskar-Hornung-Haus anlässlich des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs  berichtet. Hier die Zusammenfassung des Artikels Höhnischer „Gefrierfleischorden“.

Stutensee-Friedrichstal (awe). Eigentlich ging die Sonderausstellung im Friedrichstaler Oskar-Hornung-Haus schon anlässlich des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs im Spätjahr in Betrieb. Doch handelte es sich dabei noch um einen Grundstock. Exponate gingen im Werden weiter bis jetzt ein. Dennoch handelt es sich um eine vergleichsweise kleinere Schau. Sie steht dafür, wie schwierig es war, in großem Umfang Material zusammenzutragen.

„Wir hatte keine allgemeine Ausstellung zum Krieg im Sinn, sondern wollten zeigen, was direkt im Ort geschah“, berichtet Dieter Hengst. Insofern wählte man den Titel „Die Friedrichtaler während des Kriegs“, um bei Mitgliedern des Hugenotten- und Heimatvereins sowie weiteren Bürgern Zeitzeugnisse zu finden. Weggeworfen worden sei eh viel in den Jahren, resümiert stellvertretender Vereinsvorsitzender Hengst. Doch besonders erschwert habe die Suche, dass die Menschen beim Einmarsch der Franzosen an Ostern 1945 aus Angst Relikte des Dritten Reichs vernichteten. Sie hätten Uniformen, Mützen oder Nazibilder verbrannt und Waffen in den Mist geworden, weiß Hengst. Stahlhelme seien etwa zu „Pfuhlschapfen“ umgebaut worden und hätten dann als Schöpflöffel für Gülle gedient. 

Hengst ist sozusagen ein wandelndes Ortsgeschichtsbuch. Das manifestiert sich ebenso an den beiden großen Tafeln mit Text in heutiger Druck- und Frakturschrift, die in die Schau einführen. Die Bevölkerung habe auch in Friedrichstal genau gewusst, was man damals sagen durfte und was nicht, ist da zu lesen. War trotzdem einer nach reichlich Alkohol am Stammtisch zu vorlaut oder kritisch, habe er sich schnell im Gefängnis wiedergefunden. Das geschah auch im Ort, als Bürgermeister Wilhelm Albert Borell seines Amtes enthoben und durch einen Parteigenossen ersetzt wurde. Stimmzettel von der Reichtagswahl im November 1932 künden von dem nahe bevorstehenden Unheil, das über das Land hereinbrach. Nazizeitungen in Originalen und Nachdrucken bezeugen, wie Pluralismus ausgemerzt wurde und Propaganda triumphierte. Dazurechnen kann man ebenso den alten Volksempfänger in einer Vitrine. 

Uniform eines Militärarztes

Präsentiert werden eine beachtliche Anzahl von Urkunden und Orden. Zur Ostmedaille fallen Hengst einige Geschichten ein. „Gefrierfleischorden“ sei er genannt worden, erzählt er und von Einheimischen, die auf dem Feldzug schwere Erfrierungen erlitten oder als Opfer der Kälte auf dem Feld der Ehre starben. An das Schicksal des Militärarztes Hengst erinnert eine Uniform. Der Doktor wurde eingezogen und kam vermutlich an Fleckfieber erkrankt bei der Schlacht in Stalingrad ums Leben. Ehrenzeichen wie die Ostmedaille oder das Ritterkreuz wirken da wie der blanke Hohn. Auch eine Urkunde zu einer anlässlich der „Wiedervereinigung“ mit Österreich 1938 gestifteten Medaille oder ein Gedenkblatt für Verdienste im Reichsarbeitsdienst fanden sich. Allerlei Postkarten, Fotos aus dem Krieg oder von Kriegshochzeiten ließen sich auftreiben, ein Wehrpass oder die Uniform eines Marineangehörigen. Die Tochter eines in Friedrichstal zugezogenen Fliegers trug ein Stukka-Modell bei. Einen Einheimischen verschlug es zum Feldzug in Nordafrika. Von ihm aber wurden keine Zeitzeugnisse entdeckt. So erinnern an diesen Schauplatz lediglich Zeitungsausschnitte.

Der Krieg wurde jedenfalls hautnah in den Ort getragen. Die jungen Männer wurden eingezogen und mit dem Kriegsverlauf häuften sich die eingehenden Todesnachrichten. „Ostern 1945 war für Friedrichstal der Krieg zwar vorbei, allerdings noch nicht die damit verbundene Leidenszeit“ heißt es auf den Tafel. „Beim Einmarsch der Franzosen, meist Marokkaner, kam es zu zahlreichen Plünderungen und Vergewaltigungen.“

Info:

Die Schau „Die Friedrichtaler während des Kriegs“ ist während der üblichen Öffnungszeiten des Friedrichstaler Hugenottenmuseums jeden ersten Sonntag eines Monats von 11 Uhr bis 16 Uhr zu sehen. Besichtigungen auch nach Vereinbarung telefonisch unter (0 72 49) 60 75 bei Erich Borell. 

Foto: Werner

Heimatgeschichte ist eine Passion von Dieter Hengst. Diese Leidenschaft ließ er auch in die Schau „Die Friedrichtaler während des Kriegs“ im örtlichen Heimatmuseum einfließen. 

Foto2: Werner

Nur eine Uniform blieb vom einheimischen Militärarzt, der vermutlich in der Schlacht von Stalingrad ums Leben kam. 

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