Stutensee-Friedrichstal (ml). Wer etwas über die Geschichte Friedrichstals erfahren möchte, geht am besten ins Heimat- und Hugenottenmuseum am Friedrichstaler Marktplatz.
Der Name besagt schon viel: Nach der Veröffentlichung von Luthers 95 Thesen im Jahr 1517 breitete sich die Reformation rasch in Europa aus. Auch in Frankreich entstand eine große Anzahl protestantischer Gemeinden, deren Mitglieder Hugenotten genannt wurden. Zeitweise wurden sie geduldet, meist aber verfolgt und unterdrückt. Nachdem das Toleranzedikt von Nantes im Jahr 1685 durch Ludwig XIV. widerrufen wurde, flohen viele französische Protestanten in die Nachbarländer, welche ihnen Aufnahme gewährten. In Baden war es Markgraf Friedrich Magnus, der einer Gruppe von Hugenotten, – insgesamt 70 Personen, einige davon aus der Picardie – 1699 eine Ansiedlung ermöglichte.
Die BNN sprachen mit Ursula Heckmann, Erich Borell und Günther Hornung vom Verein Heimat- und Hugenottenmuseum „Alt Friedrichsthal“ über diese Zeit. Die Flüchtlinge seien vormals in der Pfalz, in Billigheim und Mörlheim gewesen, berichtet Heckmann, hätten von dort aber aus religiösen Gründen weiterziehen müssen. Sie hätten ihre Habe, Vorräte und vor allem Saatgut in Wagen gepackt und seien mit diesen über eine flache Stelle des damals noch mäandrierenden Rheins gekommen, fährt Hornung fort.
In lebhaften Worten schildert er, wie die Ankunft dieser Wagenkolonne die Spöcker Bevölkerung, in deren nach dem 30-jährigen Krieg leerstehenden Häusern die Flüchtlinge überwinterten, verängstigt haben musste. Die Neulinge mit ihrem Anführer Jacques de Gorenflo erhielten vom Markgrafen ein Stück Land für Ackerbau, Viehzucht und für eine Ortsgründung nahe der Heglach. Ein nach Osten offenes Viereck mit Brunnen in der Mitte bildete den Grundriss der neuen Gemeinde, die den Namen „Fridericiana Vallis“ (Friedrichstal) erhielt.
Die Tatsache, dass die Neuankömmlinge schon alsbald den Freiheitsbrief erhielten- Religionsfreiheit, Befreiung von der Leibeigenschaft und zahlreiche weitere Privilegien- schürte Hass und Neid. Doch es blieb nichts anderes, als sich zu arrangieren. Der Planwagen, das auffälligste Ausstellungsstück im Hugenottensaal, habe eine interessante Geschichte, erläutern die drei Experten. Viele Jahre später habe ein Nachfahre, der Friedrichstaler Bürger Gustav Gorenflo, Ahnenforschung betrieben. In der Picardie habe er einen solchen Wagen gefunden, mitgebracht und im Museum aufgestellt.
Ein weiterer Raum im Heimat- und Hugenottenmuseum ist dem Tabak gewidmet. Denn die neuen Siedler, waren sehr fleißig und brachten vor allem eines mit, das Friedrichstal alsbald groß machen sollte: den Tabak. Sie entwickelten eine eigene Sorte, den Friedrichstaler, der bis in die 50er Jahre angebaut wurde. „Der warme, lockere Sandboden hier hat die Tabakpflanzen gut gedeihen lassen“, berichtet Erich Borell, Vorsitzender des Vereins. Friedrichstal war eine der größten Tabakanbaugemeinden Deutschlands. Im Jahr 1893 betrug die Ernte 5.858 Zentner, 1950 gab es im Ort 500 Pflanzer. Es entstanden zahlreiche Tabakhandlungen und –manufakturen. Dieser damals große Wirtschaftszweig wird in einer lebensecht nachgestellten Szene im Museum gewürdigt.
Das Museum ist allerdings derzeit noch in Renovierung befindlich und nicht geöffnet.
Steckbrief:
- Erste urkundliche Erwähnung: 18. Juli 1700
- Einwohnerzahl 5.733
- Neckname: Franzosen
Foto: Der Planwagen. Dieser Blickfang im Museum ist ein Symbol für die Flucht der französischen Protestanten – Hugenotten genannt – nach Deutschland. Sie kamen unter anderem aus der Picardie über die Pfalz nach Baden und fassten in Friedrichstal Fuß.
(von links: Ursula Heckmann, Günther Hornung, Erich Borell)